Vielleicht haben Sie sich für 2023 den Vorsatz genommen, Ihren CO₂-Fussabdruck zu reduzieren? Einen möglichen Hebel dazu bietet auch das Fliegen, das laut Schätzungen des Internationalen Währungsfonds überschaubare zwei bis drei Prozent zu den weltweiten CO₂-Emissionen beiträgt. Sie können dies sehr direkt tun, indem Sie die Anzahl ihrer Flüge reduzieren. Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass Sie sich als Flugreisender für die freiwillige CO₂-Kompensation entscheiden. Wir wollten von den beiden Airlines SWISS und easyJet wissen, welche Optionen sie ihren Kunden zur freiwilligen CO₂-Kompensation anbieten.
Es gibt verschiedene Organisationen und Unternehmen, die Emissionen von Flügen durch die Finanzierung von Klimaschutzprojekten ausgleichen. Dies sind Projekte, die beispielsweise in erneuerbare Energien, Waldschutz oder Aufforstung investieren. Es gibt aber auch zusätzliche Anstrengungen der Airlines, um das Fliegen an sich CO₂-neutraler zu machen. Laut Karin Montani, Leiterin der SWISS-Medienstelle, liegt der Schlüssel zum CO₂-neutralen Fliegen in der Nutzung von Sustainable Aviation Fuels (SAF): «Mit derzeit verfügbaren SAF (sogenannte Advanced Biofuels) können 80 Prozent der CO₂-Emissionen im Vergleich zu fossilen Brennstoffen eingespart werden. Damit sind Treibstoffe gemeint, die auf Basis erneuerbarer Energieträger, wie zum Beispiel aus gebrauchten Speiseölen und -fetten oder aus Abfällen der Agrarwirtschaft, hergestellt werden. Durch sogenannte Power-to-Liquid (PtL) oder Sun-to-Liquid (StL) Verfahren ist es zudem möglich, praktisch vollständig CO₂-neutrale Treibstoffe zu produzieren.»
SWISS bietet freiwillige Kompensationsoptionen an
Die SWISS bietet ihren Kunden die Möglichkeit an, die CO₂-Emissionen eines Fluges zu kompensieren. Kunden können dabei entscheiden, wie viel Sie zur CO₂-Kompensation beitragen möchten und wie schnell diese Massnahmen greifen sollen. Sie können dabei in Klimaschutzprojekte, den Einsatz nachhaltiger Flugkraftstoffe oder in eine Kombination aus beidem investieren. Wir haben die Probe aufs Exempel gemacht: Die fünfköpfige Familie Meier entscheidet sich dafür, die CO₂-Emissionen ihres Fluges von Basel nach Palma de Mallorca zu kompensieren. Beim Buchen der fünf Tickets wird der Familie auf dem Buchungsportal von SWISS angezeigt, dass auf der gebuchten Flugreise 535kg CO₂ ausgestossen werden.
Entscheiden sich Meiers für einen komplett CO₂-neutralen Flug, würde dies zusätzliche 410,88 Euro kosten (siehe Variante 1 unten). Diese Mittel finanzieren den vollständigen Einsatz von nachhaltigem Treibstoff (SAF). Falls es der Familie nicht wichtig ist, dass das CO₂ sofort neutralisiert wird, kann ein längerer Zeitraum gewählt werden. Entscheiden sie sich etwa für eine Neutralisierung des CO₂ über eine Zeitspanne von zehn Jahren, dann belaufen sich die Kosten auf 10,70 Euro (siehe Variante 2 unten). Diese Mittel fliessen vollumfänglich in Klimaprojekte, nicht aber in nachhaltige Treibstoffe.
Variante 1: Kosten für die sofortige CO₂-Kompensation des Fluges einer fünfköpfigen Familie von Basel nach Palma de Mallorca.
Variante 2: Kosten für die CO₂-Kompensation des Fluges einer fünfköpfigen Familie von Basel nach Palma de Mallorca über die nächsten zehn Jahre.
Laut Karin Montani entscheiden sich rund 10 Prozent der Fluggäste, welche über swiss.com buchen, ihre Flugreise CO₂-neutral zu gestalten. Die beliebteste Aufteilung liege bei 80 Prozent Kompensation, d.h. Investitionen in Klimaprojekte und 20 Prozent in den Kauf von nachhaltigem Treibstoff. Bei den Klimaschutzprojekten arbeitet die Lufthansa Group und ihre Tochter SWISS laut Montani mit myclimate und climate Austria zusammen.
Zu den unterstützten Klimaprojekten zählen etwa die Renaturierung von Mooren in Deutschland, der Bau von Biogasanlagen in Brasilien, der Einsatz von Energiesparkochern für Menschen in Ruanda und Kenia oder der Schutz bedrohter Wälder in Tansania. Alle Projekte sorgen laut SWISS dafür, dass langfristig entweder CO₂-Emissionen eingespart oder aus der Atmosphäre gebunden werden. Klimaschutzprojekte ausserhalb Europas seien nach den höchsten internationalen Standards «Gold Standard» oder «Plan Vivo» zertifiziert. Darüber hinaus würden die Wirkung und die Qualität lokaler europäischer Klimaschutzprojekte durch lokale Standards sichergestellt. Auf die Frage, in welchem Umfang die ausgewählten Klimaprojekte tatsächlich etwas gegen den Klimawandel bringen, verweist SWISS auf ihre Partnerorganisation myclimate.
easyJet ändert ab Januar 2023 das Kompensationsmodell
Laut der Medienstelle von easyJet möchte die Airline bei der Dekarbonisierung eine Vorreiterrolle einnehmen: «Im November 2021 hat sich easyJet der von den Vereinten Nationen unterstützten Kampagne ‹Race to Zero› angeschlossen. Es ist unser Ziel, bis 2050 netto null Kohlenstoffemissionen zu erreichen.» Seit November 2019 kompensiert die Airline gemäss eigenen Angaben im Namen ihrer Kunden die CO₂-Emissionen, die durch die Treibstoffverbrennung aller Flüge verursacht werden: «Zwischen November 2019 und Ende Juni 2022 konnten wir fast 8,7 Millionen Tonnen Kohlenstoffemissionen kompensieren.»
Laut eigenen Angaben hat easyJet dieses System per Ende 2022 beendet und bietet den Kunden ab Januar 2023 neu eine freiwillige Kompensationsoption an. Die Airline arbeite dabei mit South Pole, einem Entwickler von weltweiten Klimaschutzprojekten, zusammen. Als Projekte werden etwa der Bau von Windturbinen an der Südküste der Türkei, Aktivitäten gegen die Entwaldung in Westkambodscha oder das Verteilen von effizienteren Holzkohleherden an Haushalte in ganz Somalia unterstützt.
Kompensationsmodelle führen zur Sensibilisierung über eigenen CO₂-Fussabdruck
Für die CO₂-Kompensation bei Flügen spricht, dass jede und jeder damit Verantwortung übernehmen kann. Flugreisende können einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, anstatt die Emissionen zu akzeptieren. Zudem sorgen diese Modelle zu einer Sensibilisierung, da sich Flugreisende dadurch mit dem eigenen CO₂-Fussabdruck beschäftigen. Es gibt jedoch auch Stimmen von Umweltverbänden, die der CO₂-Kompensation bei Flügen kritisch gegenüberstehen. Sie betonen insbesondere, dass CO₂-Kompensation nicht als Ersatz für die Reduzierung von Emissionen betrachtet werden sollten. Aus Ihrer Sicht ist es wichtig, dass alle aktiv ihren CO₂-Fussabdruck verringern, anstatt ihn durch Kompensation auszugleichen. Zudem wird von diesen Kreisen auch bezweifelt, dass die einzelnen Klimaschutzprojekte tatsächlich im proklamierten Ausmass zur Verringerung von Treibhausgasemissionen beitragen.
Weitere kritische Stimmen argumentieren, dass mit dem Inkrafttreten des Abkommens zur Verknüpfung der Emissionshandelssysteme (EHS) der Schweiz und der EU von 2020, auch Flüge innerhalb der Schweiz und von der Schweiz in den europäischen Wirtschaftsraum (EWR) dem Schweizer EHS unterstellt sind. Somit sind diese bereits einem wirkungsvollen Mechanismus zur CO2-Reduktion unterstellt. Eine darüberhinausgehende Kompensation sollte daher in jedem Fall freiwillig bleiben.
Am Ende ist es eine individuelle Entscheidung, ob man Flüge, allenfalls auch doppelt, kompensieren möchte, oder nicht.
Σχόλια