Es ist unumstritten, dass auch die Luftfahrt einen Beitrag zur Reduktion des CO2-Ausstosses leisten muss und kann. Neben den intensiv geführten Debatten über regulatorische Massnahmen – wie beispielsweise die Flugticketabgabe – gibt es auch guten Grund zur Hoffnung, dass technologische Fortschritte wie die Herstellung von synthetischem Kerosin den CO2 Ausstoss von Flugzeugen reduzieren können.
Seit rund zwei Jahrzehnten spricht man von Wasserstoff als Energiequelle. Heute stehen die Zeichen gut, dass Wasserstoff die fossilen Treibstoffe und den Batterieantrieb ergänzen kann. In technischer Hinsicht gibt es ausgereifte Lösungen zur Wasserstoffherstellung durch Elektrolyse und auch für den Bereich der Brennstoffzellen. Neben Wasserstoff haben auch Verfahren, mit denen synthetisches Methan (vergleichbar mit Erdgas) und synthetisches Kerosin hergestellt werden können, grosse Fortschritte erzielt.
Im sogenannten Power-to-Liquid Verfahren zur Herstellung von synthetischem Kerosin braucht es grundsätzlich eine Wasserelektrolyse, welche H20 in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Danach wird der Wasserstoff mit CO2 aus der Luft zu Kohlenwasserstoff umgewandelt, also zu synthetischem Kerosin. Bei diesem Verfahren spielt es keine Rolle, wie der Strom produziert wird, der für die Herstellung benötigt wird (Windkraft-, Atom-, Kohle- oder Solarenergie). Natürlich verwendet man dafür idealerweise Strom aus erneuerbaren Energien.
Die sogenannte Sun-to-Liquid Technologie basiert dagegen nur auf Solarenergie. Dabei sind drei thermochemischen Umwandlungsprozesse notwendig. Durch einen Adsorption-Desorption-Prozess werden CO2 und Wasser direkt aus der Umgebungsluft entnommen. Beide werden einem Solarreaktor zugeführt. Die Solarstrahlung wird mittels Spiegelfeld konzentriert und in der Spitze des Solarturms in Prozesswärme mit einer Temperatur von 1500 Grad Celsius umgewandelt. Im Innern des Reaktors befindet sich eine spezielle keramische Struktur aus sogenanntem Ceriumoxid. Dort werden in einer zweistufigen Reaktion Wasser und CO2 gespalten und Syngas produziert. Aus dieser Mischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid entsteht durch eine konventionelle Synthese der flüssige Treibstoff.
ETH Zürich als treibende Kraft
Seit 2011 haben im Rahmen des EU-Forschungsprojektes SOLAR-JET (Solar chemical reactor demonstration and Optimization for Long-term Availability of Renewable JET fuel), mehrere namhafte Institutionen in der Entwicklung von solarem Flugkraftstoff zusammengearbeitet. Auf das Projekt SOLAR-JET folgte 2016 das Projekt Sun-to-Liquid mit sehr ähnlichen Zielsetzungen (https://www.sun-to-liquid.eu/). Erfolgskritische Treiber dieses Projektes sind unter anderem die Forscher aus dem Bereich der erneuerbaren Energieträger der ETH Zürich. Erstmals getestet wurde das Verfahren von einem Team rund um Aldo Steinfeld, Professor für erneuerbare Energieträger der ETH, in einer Solaranlage auf dem Dach des ETH-Maschinenlaboratoriums in Zürich. Mit den beiden ETH Spinn-offs Climeworks und Synhelion hat die Schweiz zudem zwei weltweite Pionierunternehmen in der Forschung und Herstellung von alternativem Treibstoff (siehe Kasten unten).
Solare Treibstoffe sind weniger umweltschädlich
Synthetisch erzeugtes Kerosin ist für die Umwelt weniger schädlich als fossiles, da dieses eine neutrale Kohlendioxidbilanz ausweisen kann. Dies ist dann der Fall, wenn das Kohlendioxid, das für seine Herstellung eingesetzt wird, aus der Luft entnommen wird. Natürlich wird dann bei der Verbrennung wieder Kohlendioxid freigesetzt, aber nur genau so viel, wie für die Herstellung benötigt wurde. Zudem beinhaltet das synthetische Kerosin kein Schwefel oder aromatische Verbindungen, es verbrennt darum sauberer und setzt weniger Feinstaub oder Stickoxide frei.
Bei beiden Verfahren müssen spezifische Anforderungen erfüllt sein
Bei beiden Verfahren – Power-to-Liquid und Sun-to-Liquid – müssen spezifische Anforderungen erfüllt sein, um wirtschaftlich sinnvoll produzieren zu können. Beim Power-to-Liquid Verfahren ist es die Verfügbarkeit von günstigem und erneuerbaren Strom als Bandenergie, also über mehrere tausend Stunden pro Jahr. Dies ist nur an wenigen Standorten der Fall wie zum Beispiel an abgelegenen Orten in Norwegen, in Patagonien und in gewissen Küstenregionen. Die Stromkosten dominieren die Treibstoffkosten. Das heisst, es ist technisch möglich an fast allen Orten zu produzieren, jedoch nicht wirtschaftlich. Für das Sun-to-Liquid Verfahren verhält es sich genau gleich mit dem Sonnenlicht. Für die Herstellung grosser Mengen Kerosin sind grosse Solaranlagen nötig. So braucht es eine Solaranlage von einem Quadratkilometer Fläche, um pro Tag 20'000 Liter Kerosin produzieren zu können. Technisch kann eine solche Anlage in der Schweiz betreiben werden. Wirtschaftlich ist dies wegen der tiefen Sonnenstunden und den hohen Landpreisen jedoch nicht. Geeignete Orte sind Regionen mit einer Einstrahlung (DNI – direct normal irradiance) ab 1800 kWh/m2 Jahr, was etwa in Süd-Europa erreicht wird.
Climeworks
Der ETH Spinn-off Climeworks filtert CO2 mit Hilfe der weltweit ersten kommerziellen Direct Air Capture (DAC) Technologie aus der Umgebungsluft. Climeworks DAC-Anlagen entfernen das CO2 direkt aus der Atmosphäre und reduzieren so deren CO2-Gehalt. Die Anlagen bestehen aus modularen CO2-Kollektoren, deren Kern das Schlüsselelement der Technologie beinhalten: ein hochselektives Filtermaterial, an dem das CO2 haften bleibt. Sie werden ausschliesslich mit erneuerbarer Energie oder Abwärme betrieben.
Synhelion
Synhelion ist nach über 10 Jahren Spitzenforschung der ETH Zürich entstanden und entwickelt thermochemische Verfahren zur Herstellung von synthetischen Treibstoffen. Die Synhelion-Prozesse sind angetrieben durch konzentriertes Sonnenlicht und erlauben, die Netto-CO2-Emissionen der Treibstoffe um 50–100 Prozent zu reduzieren im Vergleich mit fossilen Treibstoffen. Bis 2030 will Synhelion jährlich 1 Million Tonnen synthetischen Treibstoff herstellen, was rund der Hälfte des Schweizer Kerosinbedarfs entspricht. Um die Technologie möglichst schnell zur Marktreife zu bringen, arbeitet Synhelion eng mit weltweit führenden Industrieunternehmen und Hochschulen zusammen.
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