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Bahnanbindung EuroAirport – Vorteil für die Verbindung zwischen dem Elsass und der Nordwestschweiz

Bahnprojekte nehmen auf Grund ihrer Komplexität sehr viel Zeit in Anspruch – dies ist bei grenzüberschreitenden Projekten wie der Bahnanbindung EuroAirport umso mehr der Fall. Wir wollten von Dr. Emanuel Barth, Leiter trireno, wissen, wo das Projekt derzeit steht und welche Herausforderungen anstehen. Das Projekt ist laut Emanuel Barth im März letzten Jahres mit der Verleihung der «Déclaration d’Utilité Publique», der Gemeinnützigkeitserklärung des französischen Staates, einen wichtigen Schritt weiter gekommen: Es kann nun auch in Frankreich von der öffentlichen Hand finanziert werden. Anfang 2024 soll das detaillierte Vorprojekt der SNCF Réseau und des EuroAirports vorliegen. Mit einer Inbetriebnahme kann um 2030 gerechnet werden. In der öffentlichen Debatte über das Projekt geht oft vergessen, dass der Nutzen dieses Bahnprojektes für die Bevölkerung und die Wirtschaft der Region nicht nur auf der Strecke von und zum EuroAirport zum Tragen kommen wird, sondern auf der gesamte Achse zwischen dem Elsass und der Nordwestschweiz.


Bild: Dr. Emanuel Barth, Leiter trireno


Wer ist tireno? Das Netz der trinationalen S-Bahn Basel misst mehr als 350 Kilometer und erstreckt sich über den Zuständigkeitsbereich von sechs Partnern aus drei Ländern. Unter der Dachmarke «trireno» bündeln diese ihre Zusammenarbeit für eine grenzüberschreitende Weiterentwicklung des S-Bahn-Angebots. Aufgrund dieser trinationalen Trägerschaft ist trireno dem Verein Agglo Basel angegliedert; der Sitz der Geschäftsstelle befindet sich in Liestal. Mit dem Betrieb der trinationalen S-Bahn Basel sind derzeit vier Eisenbahnverkehrsunternehmen beauftragt: SBB AG, SBB GmbH, DB Regio, SNCF Voyageurs (TER Grand Est)


Über das Projekt Bahnanbindung EuroAirport wird schon seit einigen Jahren debattiert. Was ist der aktuelle Stand?


Das Projekt ist im März letzten Jahres mit der Verleihung der «Déclaration d’Utilité Publique», der Gemeinnützigkeitserklärung des französischen Staates, einen wichtigen Schritt weiter gekommen. Basierend auf diesem Beschluss kann das Projekt nun auch in Frankreich von der öffentlichen Hand finanziert werden. Der Schweizer Anteil der Finanzierung läuft über den nationalen Bahninfrastrukturfonds. Dies hat das Parlament bereits 2019 im Beschluss zum Bahn-Ausbauschritt 2035 beschlossen. In der konkreten Planung schreitet das Vorhaben ebenfalls voran, das detaillierte Vorprojekt (Avant-Projet Détaillé) von SNCF Réseau und dem EuroAirport wird Anfang 2024 abgeschlossen.



Welche Hürden sind im Projekt noch zu nehmen? Wie und wann soll dies geschehen? Wann wird die Bahnanbindung realisiert sein?


Der Raum um den EuroAirport wird bereits annähernd flächendeckend genutzt. Das Projekt der Bahnanbindung EuroAirport ist eng verzahnt mit den weiteren Entwicklungen in seinem Perimeter, etwa mit dem Bau eines Parkhauses, der Errichtung neuer Velowege oder dem Ausbau der Autobahn A98. Die laufenden Abstimmungen sind während der Erarbeitung des Bauprojektes und der Bauphase eng weiterzuführen, um eine effiziente Realisierung aller Projekte rund um den EuroAirport zu ermöglichen. Der Zeitplan des Avant-Projet Sommaire sieht eine Inbetriebnahme um 2030 vor, einen genaueren Zeitplan über die weiteren Schritte wird sich 2024 aus dem Avant-Projet Détaillé ergeben.



Wie wird das Bahnangebot genau aussehen? Welche Vorteile bietet dieses für Anreisende aus der Region Basel und für Anreisende aus anderen Regionen der Schweiz?


Zwischen dem EuroAirport und Basel werden sechs Züge pro Stunde verkehren. Vier davon sind S-Bahnen, deren Linien den EuroAirport jede halbe Stunde mit Liestal, Laufen und Mulhouse verbinden werden. In Basel bedienen diese S-Bahnen neben dem Bahnhof SBB auch den Dreispitz, den Bahnhof St. Johann und eine neue Haltestelle beim Morgartenring. Ebenfalls halbstündlich verkehrt der Regionalexpress «TER200» von Basel SBB über den EuroAirport nach Strassburg.


Für Anreisende aus anderen Regionen der Schweiz oder von Deutschland ist weiterhin ein Umstieg in Basel SBB notwendig, gegenüber der heutigen Busverbindung verkürzt sich jedoch die Reisezeit, es entfällt die Abhängigkeit der Verkehrssituation auf der Strasse und es stehen deutlich mehr Sitzplätze zur Verfügung.



Was passiert mit dem 50er Bus, der ja insbesondere für die Stadtbevölkerung immer noch eine wichtige Verbindung ist?


Ein reduziertes, ergänzendes Bus-Angebot zwischen dem EuroAirport und Basel wird auch nach der Bahnanbindung aufrecht erhalten, um auch die Bedienung von Haltestellen wie z.B. Friedrich-Miescher-Strasse oder EuroAirport Cargo weiterhin sicherzustellen. Zugunsten derjenigen Gebiete, welche mit der Bahn noch nicht direkt an den EuroAirport angebunden werden können, soll der zukünftige Flughafenbus jedoch nicht mehr wie die heutige Linie 50 zum Bahnhof SBB verkehren, sondern ab Kannenfeldplatz zur Innenstadt und ins Kleinbasel. Eine bessere Anbindung der rechtsrheinischen Agglomeration an das trinationale S-Bahn-Netz und den EuroAirport wird später mit der Neubaustrecke «Herzstück» ermöglicht.



Welchen Mehrwert generiert die Bahnanbindung aus einer volkswirtschaftlicher Sichtweise für unsere trinationale Region?


Das Projekt bringt auf einer sehr stark nachgefragten Achse Reisezeitverkürzungen sowie eine spürbare Kapazitätssteigerung. Bevölkerung und Wirtschaft profitieren von Zeitgewinnen und einer höheren Zuverlässigkeit des Verkehrssystems. Die Vorteile kommen nicht nur mit Start oder Ziel am EuroAirport zum Tragen, sondern auf der gesamten Achse zwischen dem Elsass und der Nordwestschweiz. (Zusätzliche Ausführungen sind der Infobox am Ende des Textes zu entnehmen.)



In welchem Ausmass leistet die Bahnanbindung einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele unserer Region und der Schweiz?


Das neue Angebot führt zu einer Attraktivitätssteigerung der Bahn und führt damit zu einer Verlagerung von der Strasse auf die Schiene. Heute erfolgen weniger als 1 von 10 Fahrten zwischen dem Elsass und der Nordwestschweiz mit der Bahn. Mit dem Ausbau des Bahnangebots – nicht nur vom EuroAirport, sondern von allen Haltestellen entlang der grenzüberschreitenden S-Bahn – kann ein viel grösseres Verlagerungspotenzial ausgeschöpft werden als andernorts. Aber auch der Schweizer Binnenverkehr profitiert: Basel West und Allschwil werden endlich an das Netz der S-Bahn angebunden.



Kürzlich war in den Medien von einer Expertengruppe zu lesen, die behauptet, dass die neue Verbindung die Situation gegenüber dem heutigen Angebot mit dem 50er Bus für Reisende verschlechtere. Was halten Sie von dieser Kritik?


Die Gruppe kritisiert, der Zugang zu den Zügen in Basel SBB und am EuroAirport daure länger, als heute der Zugang zur Buslinie 50. Dabei gehen sie fälschlicherweise davon aus, dass Züge in Basel SBB ab dem «französichen Bahnhof» abfahren würden, und dass am EuroAirport eine Grenzkontrolle notwendig wäre. Sie vergessen ferner, dass die Erreichbarkeit der Gleise des Bahnhofs Basel SBB in den nächsten Jahren dank neuer Passerellen deutlich ausgebaut wird. Und dass darüber hinaus in Zukunft viele Reisende in Basel SBB gar nicht mehr umsteigen müssen, sondern in der S-Bahn einfach sitzenbleiben können. Ganz abgesehen von der kürzeren Fahrzeit gegenüber dem 50er Bus, den grosszügigeren Platzverhältnissen und der Unabhängigkeit vom Strassenverkehr.



Die gleiche Expertengruppe behauptet auch, dass die Region, die sich mit 90 Millionen Euro am 320-Millionen-Euro Vorhaben beteiligt, zu wenig Gegenwert für die Investition erhaltet. Wie sehen Sie das?


Es ist eine Tatsache, dass die Finanzierung und Realisierung grenzüberschreitender Vorhaben viel komplizierter ist als im Binnenraum. Ansonsten wäre die Bahnanbindung schon längst in Betrieb.

Unsere Region ist trinational, und ich bin froh, dass Projekte wie dieses grenzüberschreitend erarbeitet und getragen werden, von regionalen wie von nationalen Partnern. Dies ist keine Selbstverständlichkeit. Über den konkreten Finanzierungsschlüssel finden konstruktive Gespräche statt, und ich bin zuversichtlich, dass eine einvernehmliche Lösung gefunden wird, die den Nutzen, der den Partnern aus der Investition entspringt, angemessen widerspiegelt.



Fluglärmgegnergruppen befürchten, dass die Bahnanbindung zu mehr Fluggästen aus Zürich, der Innerschweiz und Bern führt. Sind diese Befürchtungen gerechtfertigt?


Das Projekt der Bahnanbindung EuroAirport wurde bewusst als regionale Erschliessung des Flughafens konzipiert und die Infrastrukturen ausschliesslich für den Regionalverkehr dimensioniert. Das Angebotskonzept entspricht damit in hohem Masse den Zielen der Perspektive BAHN 2050 des Bundes, die Angebotsverbesserungen v. a. auf kurzen und mittleren Distanzen vorsieht.


Ob sich nun das Einzugsgebiet des EuroAirports vergrössert oder nicht, hängt in erster Linie vom Flugmarkt selbst ab: Welche Flugdestinationen werden um welche Zeit und vor allem zu welchem Preis angeboten? Verglichen mit diesen Kriterien ist der Einfluss der Bahnanbindung minim.


Volkswirtschaftlicher Nutzen der Bahnanbindung Der EuroAirport beherbergt auf seinem Gelände rund 130 Unternehmen und ist mit über 6200 direkten Arbeitsplätzen auf dem Flughafengebiet einer der grössten Arbeitgeber am Oberrhein. Indirekt hingen im Jahr 2016 gar ca. 26'000 Arbeitsplätze vom EuroAirport ab. Die gesamte volkswirtschaftliche Wertschöpfung betrug im Jahr 2016 in der trinationalen Region Basel gemäss einer Steer Davies Gleave-Studie über 1.6 Milliarden Euro. Fast 25’000 Menschen, Flughafennutzer und Mitarbeiter der Flughafenunternehmen, fahren täglich zum Flughafen oder vom Flughafen ab. Trotz der genannten Zahlen verfügt dieser bedeutende Wirtschaftsmotor über keine Bahnanbindung. Heute ist der EuroAirport nur über Strassen erreichbar, welche zu Stosszeiten regelmässig überlastet sind. Diese Erschliessung wird der volkswirtschaftlichen Bedeutung des EuroAirport in keiner Weise gerecht. Mehrere Vorstudien zeigen, dass nur eine direkte Bahnanbindung – geführt über eine neue Trasse mit einer Länge von 6 km – eine befriedigende und ökologisch nachhaltige Lösung liefern könnte. Eine weitere Studie geht davon aus, dass durch den Bau und den Betrieb des Bahnanschlusses ein substanzieller, volkswirtschaftlicher Gesamtwert von rund 500 Millionen Euro realisiert werden kann. Der Bahnanschluss ist jedoch viel mehr als nur ein Zubringer zum Flughafen: Er ist ein wichtiger Bestandteil des leistungs- und zukunftsfähigen trinationalen S-Bahn-Konzepts, das die ganze Region verbindet: Vom Fricktal bis ins Elsass und vom Laufental bis ins deutsche Wiesental. Eine bessere Erreichbarkeit der Region Basel vergrössert den funktionalen Raum der Agglomeration. Agglomerationseffekte führen über eine höhere Produktivität, gestärkte Innovationskraft und mehr mögliche Geschäftsbeziehungen zu einem höheren Bruttoinlandsprodukt in der Agglomeration Basel. Berechnungen des volkswirtschaftlichen Beratungsbüros BSS zeigen, dass diese bis 2040 bei etwa zwei Milliarden Franken pro Jahr liegen können. Eine Voraussetzung dafür sind moderne und leistungsfähige Verkehrsinfrastrukturen wie die trinationale S-Bahn inklusive Bahnanbindung EuroAirport.



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