Im Interview mit Alliance GloBâle erläutert Dr. Regine Sauter, FDP-Nationalrätin und Präsidentin aviationsuisse, die aktuellen Schwerpunkte von aviationsuisse, des Verbands der Nutzer des Luftverkehrs in der Schweiz.
Bild: Dr. Regine Sauter, FDP-Nationalrätin und Präsidentin aviationsuisse
Aviationsuisse ist in seiner jetzigen Form ein relativ junger nationaler Verband im Bereich Luftfahrt. Können Sie uns kurz darlegen, welchen Fokus aviationsuisse konkret hat und wie sich die Mitgliederstruktur darstellt?
Aviationsuisse positioniert sich als Verband der Nutzer der Luftfahrt und setzt sich für eine gute internationale Verkehrsanbindung der Schweiz und für ein entwicklungsfähiges Luftfahrtsystem ein. Wir sind eine wichtige Ergänzung zu Aerosuisse, dem Verband der Luftfahrtbranche. Pointiert gesagt sind wir auf nationaler Ebene die «Besteller» von Luftfahrt-Dienstleistungen. Wir wissen, was alles an diesen hängt: (Export-)Wirtschaft, Tourismus, Hotellerie, internationale Organisationen, Bildung, Kultur. Aviationsuisse bündelt Mitglieder aus den genannten Bereichen mit dem Ziel, Bedürfnisse und Forderungen dieser «Besteller» schnell, dezidiert und zielgerichtet gegenüber den Entscheidungsträgern aus Politik und Verwaltung sowie gegenüber der Luftfahrtbranche zu adressieren. Die kompakte Interessenvertretung verleiht unseren Anliegen Gewicht.
Bei welchen politischen Themen und mit welchen Massnahmen bringt sich aviationsuisse ein? Wie sehen gute Rahmenbedingungen für die Luftfahrt aus?
Da nenne ich zwei aktuelle Beispiele. Nach dem Scheitern des CO2-Gesetzes hat die damalige Bundesrätin Simonetta Sommaruga eine revidierte Fassung vorgelegt. Für dieses revidierte CO2-Gesetz haben wir uns in der Vernehmlassung stark gemacht und unterstützen es auch weiterhin, denn es geht in die richtige Richtung: Die Dekarbonisierung der Luftfahrt muss mit der Förderung von nachhaltigen Treibstoffen erreicht werden; so wie das nun vorgesehen ist. Falsch wäre, mit einer nationalen Ticketabgabe der Luftfahrtbranche genau jene finanziellen Mittel zu entziehen, die sie für die Ökologisierung braucht.
Und das zweite Beispiel?
Da geht es um die weitreichenden Empfehlungen der Eidgenössischen Kommission für Lärmbekämpfung (EKLB). Die Kommission verlangt unter anderem strengere Grenzwerte für Eisenbahn- und Fluglärm und eine längere Nachtruhe von 9 Stunden. Würde der Bundesrat die Empfehlungen auch nur ansatzweise so umsetzen, hätte dies gravierende Auswirkungen auf die Siedlungsentwicklung vor allem aber auf die internationale Anbindung der Schweiz; namentlich der Drehkreuzbetrieb in Zürich wäre gefährdet. Wir haben in Stellungnahmen auf eine Güterabwägung gepocht – in eine Gesamtschau gehören auch die Siedlungsentwicklung und die Mobilität. Im Nationalrat habe ich dieser Forderung mit einer Interpellation Nachdruck verliehen und ich freue mich über die Antwort des Bundesrats. Er hat zugesichert, dass allfällige Entscheide verhältnismässig sein und volkswirtschaftliche Aspekte berücksichtigen müssen.
Der globale Flugverkehr verursacht gemäss Daten der Internationalen Energieagentur drei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen durch fossile Energien. Trotz dieses überschaubaren Anteils steht die Luftfahrt bei der Klimadebatte häufig im Zentrum. Wie steht aviationsuisse dazu?
Wir dürfen nicht einzelne Emittenten miteinander vergleichen oder sogar gegeneinander ausspielen. Jede Branche und jedes Unternehmen muss in seinem Bereich einen Beitrag dazu leisten, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Das fordern wir auch von der Luftfahrtbranche und sind erfreut, dass diese entschlossen vorwärts macht. Der Königsweg in der Ökologisierung der Luftfahrt sind nachhaltige Treibstoffe, so genannte Sustainable Aviation Fuels. Im erwähnten revidierten CO2-Gesetz ist eine Beimischquote vorgesehen, gemäss der die Airlines Jahr für Jahr mehr nachhaltigen Treibstoff tanken müssen. So wird es bis 2050 möglich sein wird, CO2-neutral zu fliegen. Die Swiss bekennt sich zu diesem Ziel und hat sich gerade jüngst am ETH-Spin-off Synhelion beteiligt, das Solartreibstoff herstellt. Es tut sich etwas – das muss von der Politik anerkannt werden.
Auch Lärm ist ein beherrschendes Thema, vor allem rund um die drei Schweizer Landesflughäfen. Wie können die Anforderungen seitens Wirtschaft mit den Bedürfnissen der Bevölkerung in Einklang gebracht werden?
Auch hier ist aus meiner Sicht eine Güterabwägung wichtig. Es ist nicht schwarz oder weiss. Luftfahrt ist kein Selbstzweck – sie ist wichtig für uns alle. Wir reisen, wir handeln, wir exportieren, wir importieren. Luftfahrt verbindet uns mit der Welt. Wohlstand entstand schon immer da, wo Verkehrsknotenpunkte waren. Das ist heute nicht anders – darum bauen auch die Türkei oder China gigantische Hubs. Luftfahrtpolitik ist Standortpolitik. Aber es ist klar, dass Luftfahrt auch Belastungen mit sich bringt. Wir als Gesellschaft müssen stetig aushandeln, was wir zu tragen bereit sind. Persönlich bin ich der Meinung, dass das Schutzniveau in der Schweiz sehr hoch ist, zumal Flugzeuge in den letzten Jahren massiv leiser geworden sind.
Welche Schwerpunkte hat sich der Verband für das laufende Jahr gesetzt?
Zum einen wollen wir verstärkt den Dialog zwischen Bestellern und Luftfahrtbranche fördern. Nutzer und Anbieter sollen nicht übereinander, sondern miteinander reden. Dazu führen wir auch Anlässe durch – den nächsten am 29. März am Flughafen Zürich im Rahmen unserer Generalversammlung. Gast und zugleich Gastgeber wird Swiss-CEO Dieter Vranckx sein, mit dem wir aktuelle Herausforderungen der Branche besprechen. Inhaltlich steht der Einsatz für die Umsetzung des revidierten CO2-Gesetzes ohne weitere Abgaben und für eine massvolle Umsetzung der EKLB-Empfehlungen im Fokus. Und dann werden wir uns auch bei einer kantonalen Abstimmung äussern, weil sie den wichtigsten Landesflughafen der Schweiz betrifft…
Sie meinen die geplanten Pistenverlängerungen am Flughafen Zürich?
Genau. Die Verlängerungen der Pisten 28 und 32 wären die ersten Anpassungen am Pistensystem am Flughafen Zürich seit 1976 – und sie sind nötig, um dieses Drehkreuz langfristig stabil und verlässlich zu betreiben. Das ist auch von nationaler Bedeutung – es wäre fatal, wenn das Drehkreuz in Zürich, das für die ganze Schweiz wichtig ist, selbst bei offensichtlich sinnvollen Entwicklungsschritten blockiert würde. Die Pistenverlängerungen sind auch im Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt explizit vom Bundesrat als Sicherheitsmassnahme empfohlen. Eine Ablehnung dieses Vorhabens ist nur mit grundsätzlichen ideologischen Einwänden gegen die Luftfahrt zu erklären. Denn die Vorteile sind vielfältig und ausgewiesen: Die Stabilität und die Pünktlichkeit werden verbessert, insgesamt reduziert sich die Lärmbelastung – und alle profitieren von mehr Nachtruhe, weil weniger Flüge nach 23 Uhr nötig sein werden.
Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zur Luftfahrt? Was treibt Sie an, sich auch als Nationalrätin für die Luftfahrt einzusetzen?
Meinen ersten Bezug zur Luftfahrt hatte ich über meinen Vater. Er war Militärpilot und hob regelmässig vom Flugplatz Dübendorf ab. Darum habe ich mich kürzlich auch für den Erhalt des Fliegermuseums eingesetzt. Selbst habe ich keine Erfahrung im Cockpit. Aber ich weiss, was wir der Luftfahrt zu verdanken haben. Darum setzte ich mich dafür ein, dass sie sich in der Schweiz verlässlich so entwickeln kann, dass wir gut mit der Welt verbunden bleiben.
Für Sie wird dieses Jahr intensiv und spannend – sie haben in Zürich Ihre Ständeratskandidatur angekündigt, gewählt wird am 22. Oktober 2023. Was motiviert Sie, den Schritt vom Nationalrat ins «Stöckli» anzustreben?
Nach meinen Erfahrungen im Zürcher Kantonsrat und im Nationalrat reizt mich der Schritt in den Ständerat, um mich dort vertieft und lösungsorientiert für die Anliegen Zürichs und für die Themen einzusetzen, die in der ganzen Schweiz die Menschen beschäftigen. Herausforderungen gibt es viele und ich stelle fest, dass sich viele Menschen Sorgen machen. Das geht mir selbst auch so – die Corona-Pandemie und der Krieg in Europa gehen wohl an niemandem spurlos vorbei. Ich möchte jedoch, dass wir alle mit Zuversicht in die Zukunft schauen können. Wir haben es in der Hand: Zürich und die Schweiz insgesamt stehen sehr gut da, wir haben einen starken Wirtschafts- und Forschungsplatz und viele junge Talente. Ich will dazu beitragen, dass wir diese gute Ausgangslage nutzen und auch der nächsten Generation beste Entfaltungsmöglichkeiten bieten.
Comments