Die Lage ist dramatisch. Das Passagieraufkommen am EuroAirport ist um über zwei Drittel eingebrochen. Was sind derzeit Ihre grössten Herausforderungen?
Der Passagierverkehr macht rund 80 Prozent des Umsatzes des EuroAirports aus. Ein wesentlicher Teil dieses Umsatzes fehlt und damit auch wichtige Einnahmen. Unsere grösste Herausforderung war und ist es daher, die Liquidität zu sichern. Dies erreichen wir mit strengen Ausgabenkontrollen, insbesondere drastischen Investitionskürzungen und der Senkung der Personalkosten durch einen Einstellungsstopp. Auch die Einführung der Kurzarbeit hat uns geholfen, die Liquidität zu sichern.
Ist die Liquidität für das laufende Jahr gesichert?
Ja. Um die Liquidität zu sichern, führen wir die strenge Ausgabenkontrolle auch im laufenden Jahr fort und sind mit den Investitionen sehr zurückhaltend.
Was ist der Anteil der Belegschaft auf Kurzarbeit? Ist auch ein grösserer Stellenabbau eine Option, die Sie in Erwägung ziehen müssen?
Ungefähr dreiviertel der Belegschaft ist auf Kurzarbeit, die meisten Mitarbeitenden aber natürlich nur zu einen gewissen Teil. Viele der Aufgaben eines Flughafens müssen ja auch bei einem geringen Flugaufkommen wahrgenommen werden. Einen grösseren Stellenabbau mussten wir bisher zum Glück nicht in Betracht ziehen; der Einstellungsstopp ist diesbezüglich die einzige personalreduzierende Massnahme.
Wie würden Sie die derzeitige Stimmungslage bei den Mitarbeitenden beschreiben?
Die Stimmung würde ich als gedämpft bezeichnen, da die Pandemiesituation doch nun schon seit einem Jahr anhält und an den Kräften zehrt. Sicherlich gibt es auch wieder mehr Anzeichen von Hoffnung ab Sommer. Dies hat vor allem mit den laufenden Impfkampagnen und damit mit weniger staatlichen Restriktionen zu tun.
Wagen wir einen Blick in die Kristallkugel: Wie wird die Lage in den Sommerferien aussehen?
Die Kristallkugel ist derzeit ziemlich beschlagen. Aufgrund der unsicheren Prognosen arbeiten wir mit drei Szenarien, die von drei bis fünf Millionen Passagieren für das Jahr 2021 ausgehen. Die aktuellen Informationen der Airlines geben uns Anlass zu etwas Optimismus, wonach ab Sommer doch mit bedeutend mehr Verkehr zu rechnen ist als heute. Die Erholung des Fluggeschäftes hängt sehr stark vom Fortschritt der nationalen Impfkampagnen ab und den damit verbundenen Reiserestriktionen.
Im 2020 hatten Sie 2,6 Millionen Passagier. Wann werden Sie den Rekordwert von 2019 mit 9,1 Millionen Passagiere wieder erreichen?
Wir gehen heute davon aus, dass wir diesen Rekord erst in einigen Jahren wieder erreichen werden.
Müssen Sie nicht davon ausgehen, dass auch nach der Pandemie grundsätzlich weniger geflogen wird?
Bei Ferienreisen kann ich mir dies nur bedingt vorstellen. Ich denke nicht, dass sich am Bedürfnis der Menschen, andere Länder und Kulturen kennenzulernen, etwas Wesentliches geändert hat. Bei den Geschäftsreisen sieht dies anders aus. Geschäftsleute haben es geschätzt, dass sie weniger reisen mussten und physische Meetings teilweise mit Videokonferenzen ersetzen konnten. Nach wie vor eine anhaltende Nachfrage erwarte ich im Segment der VFR Flüge (Visiting Friends and Relatives), also der Besuch von Freunden und Verwandten.
Sie gehen also davon aus, dass ökologische Überlegungen bei Privatpersonen nur bedingt zu weniger Flugreisen führen werden. Was plant der Flughafen betreffend Umwelt- und Lärmschutz?
Umweltthemen haben bei uns wie auch bei sehr vielen Fluggästen weiterhin hohe Priorität. Zur Reduktion des Fluglärms haben wir beispielsweise zusammen mit den federführenden Behörden das Verfahren des «Ausgewogenen Ansatzes» (Approche équilibrée) initiiert und in deren Auftrag eine Studie durchgeführt. Auf Basis der Ergebnisse dieser Studie haben wir bei der französische Zivilluftfahrtbehörde DGAC (Direction Générale de l'Aviation Civile) ein Verbot aller geplanten Starts zwischen 23 und 24 Uhr sowie die Verschärfung der heute geltenden lärmtechnischen Anforderungen an Flugzeuge für die Zeit zwischen 22 und 6 Uhr beantragt. Derzeit ist eine dreimonatige öffentliche Anhörung in Frankreich, der Schweiz und in Deutschland im Gang. Die zweite wichtige Lärmmassnahme ist die sogenannte begrenzende Lärmkurve. Dabei sind wir daran, in Zusammenarbeit mit den verschiedenen betroffenen Parteien einen maximalen Lärmwert festzulegen, der sowohl für den Flughafen als auch für Anwohner und Gemeinden eine langfristige Planungssicherheit geben wird. Mit dieser «Deckelung» des Fluglärms können wir unserem Umfeld verlässlich eine Grenze des Fluglärms versprechen. Wir planen, dieses Instrument im Jahr 2022 einzuführen.
Und was sind Ihre Pläne, um CO2 zu reduzieren?
Letztes Jahr haben wir die Rezertifizierung «Airport Carbon Accreditation» (ACA) der Stufe 2 erhalten. ACA ist ein durch den europäischen Flughafenverband ACI Europe eingeführtes, unabhängiges Zertifizierungssystem für Flughäfen zur Erfassung und Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Bei dieser Zertifizierung werden die von den Flughäfen unternommenen Anstrengungen zur Reduzierung ihrer Treibhausgase bewertet und attestiert. Das Programm besteht aus vier Zertifizierungsstufen. Die von uns erreichte Stufe 2 bedeutet, dass wir ein Managementplan mit konkreten Reduktionszielen haben und die Einhaltung dieser Ziele überprüfen. Wir haben zudem im 2020 entschieden, für den Flughafen die CO2-Neutralität bereits 2030 zu erreichen.
Das klingt ambitiös. Wie wollen Sie dies erreichen?
Es ist wichtig zu verstehen, dass es um die Klimaneutralität des Flughafens als Unternehmen selbst geht. In dieser Betrachtungsweise sind die An- und Abflüge, die Anreisen und Abreisen der Passagiere und der Mitarbeitenden nicht enthalten. Wir haben im Mai letzten Jahres einen Vertrag zum Kauf von grünem Strom abgeschlossen, der immerhin ca. 25% unseres CO2-Aussstosses vermindert. Zudem werden wir bis 2025 unsere Gas-Heizungsanlage mit einer Biogas-Heizungsanlage ersetzen. Allein mit diesen beiden Massnahmen reduzieren wir den CO2-Ausstoss des Flughafens selbst um 90%.
Am EuroAirport, wie auch an anderen Flughäfen, kann man sich vor Ort testen lassen. Was halten Sie von einem Testnachweispflicht für Flugreisen?
Ich finde dies eine sinnvolle und wichtige Massnahme, welche schliesslich auch die sehr unterschiedlichen und ständig wechselnden Quarantänemassnahmen in den verschiedenen Ländern ersetzen sollte. Was ich persönlich aber nicht verstehe, ist die Tatsache, dass man sich vor einen Flug, nicht aber vor einer Zugsreise testen lassen muss. Ich kenne für die Ungleichbehandlung bis heute keine gesundheitliche Begründung dafür.
Mit den fortschreitenden Impfkampagnen stellt sich auch immer mehr die Frage einer Impfpflicht für Flugreisende. Was ist Ihre Meinung dazu?
Aus meiner Sicht sollte die Impfpflicht als allerletzte Massnahme eingesetzt werden. Ich denke, dass es im Zusammenhang mit dem Luftverkehr wichtig ist, zu verstehen, dass nicht etwa die Schweiz alleine über diese Frage entscheiden kann. Es werden einzelne Länder sein, die über eine Impfpflicht befinden werden. Das hat dann Auswirkungen auf die Airlines. Ich denke dabei an Australien und an die australische Airline Qantas.
Wie gehen Sie persönlich mit der sehr herausfordernden Situation um?
Es ist in der Tat die grösste Krise seit des Bestehens des Flughafens. Wichtig ist für mich die Einsicht, dass es vieles in der Pandemie gibt, das wir als Flughafen nicht beeinflussen können. Es ist aus meiner Sicht wichtig, Ruhe zu bewahren und nicht in Panik zu geraten. Betrieblich liegt mein Augenmerk vor allem auf der Sicherung der Liquidität und auf der Gesundheit und Gefühlslage unserer Mitarbeitenden.
Was stimmt Sie zuversichtlich, dass Sie diese Herausforderungen meistern können?
Ich bin grundsätzlich ein zuversichtlicher und optimistischer Mensch. Ich bin sicher, dass wir die Pandemie meistern werden. Dies ist eine Frage der Zeit. Bis zu einem gewissen Grad werden wir uns aber künftig wohl daran gewöhnen müssen, dass uns Pandemien begleiten werden.
Die Region Basel war für Sie als Luzerner ja bis zur Übernahme der Führung des Flughafens vor fünf Jahren noch nicht so vertraut wie heute. Was schätzen Sie an der Region Basel?
Ich schätze sicherlich den feinen Humor, die angenehme Zurückhaltung und die Sprachgewandtheit der Menschen in dieser Region. Was mich beeindruckt ist zudem der internationale «Touch» des Dreiländereckes und damit der starke Bezug zu Deutschland und Frankreich. Angesichts der täglich 30'000 Grenzgänger ist das wohl auch zu erwarten.
Und worüber wundern Sie sich?
Ich bin immer wieder überrascht, dass es trotz dieser kulturellen Offenheit und dieses internationalen Colorits immer wieder Differenzen im Kleinen gibt. So sind die Sticheleien zwischen den beiden Basel angesichts der Grösse und der engen Verbundenheit der Kantone auffallend und führen bei politischen Fragen zu doch sehr überraschenden Ergebnissen.
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